Die Radsportsaison neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Das gilt nicht nur für die Profis nach Tour, WM und vielen anderen Rennen, sondern auch für die Ultracycling-Fahrer. Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, wird auch jeder dieser Wettbewerbe anspruchsvoller. Traditionell Mitte August findet das Race Around Austria statt. Auf den verschiedenen Strecken werden Teile der Alpenrepublik oder eben ganz Österreich umrundet – nonstop und mit einer formidablen Materialschlacht.
Nachdem Sebastian seit 2022 bereits an fünf Ultra-Cycling Rennen teilnahm und sich gut in der Szene etablierte, war dieses mal klar: es soll um den Sieg gehen. Und dies auf der mittleren der drei Rennvarianten über 1.500 km und 18.000 hm. Bei dieser Version werden die westlichen Bundesländer Vorarlberg und Tirol „ausgelassen“. Nichtsdestotrotz natürlich eine große Herausforderung. Aufgrund dieser längeren Distanz im Vergleich zu früheren Rennen wurde auch die Crew aufgestockt: zweimal drei Personen, um sich gegenseitig abwechseln zu können und jeweils zwei Schichten á drei Begleitern zu besetzen.
Ultracyclingrennen sind auch immer großes Teamwork. Die Crew im Auto kümmert sich um alles, was von außen beeinflussbar ist – Pacing, Ernährung, Einhalten der Route, Radwechsel, Reparaturen, die Zeiten der Konkurrenten im Auge behalten und alles andere was sonst anfällt. Im Idealfall muss der Fahrer nur möglichst ausdauernd und stark in die Pedale treten. Soweit zur Theorie.
In dieser Konstellation ging es für Sebastian kurz vor 19 Uhr in St. Georgen im Attergau los und die ersten Tiefenmeter konnten auf der Startrampe gesammelt werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass direkt in die erste Nacht hineingefahren wird. Diese verlief jedoch problemlos und Sebastian konnte sich direkt im Vorderfeld platzieren und war stets unter den Top 3 bei allen Checkpoints. Für die einzelnen Abschnitte wurde zwischen Zeitfahrrad inkl. Auflieger und Aerofitting, einem leichten Bergrad und einem „normalen“ Aerorad als Ersatz abgewechselt. Aufgrund der langen Distanz und zu erwartenden Zeit (über 55h) war dieses Mal auch Zeit für einige kleine Schlafpausen eingeplant. Für den Fahrer hieß das ab ins Pacecar und dort auf eine Matratze zumindest kurz nächtigen. Für die Crew stand ein Wohnmobil bereit.
Bis zum Fuße des Großglockners – immerhin der höchste asphaltierte Straßenpass Österreichs – lief das Rennen auch sehr gut. Die Topfavoriten lagen allesamt hinter Sebastian und so konnte mit circa 30 min Vorsprung in Heiligenblut „der Glockner“ in Angriff genommen werden. Leider gab es bei der Über- und Abfahrt der Strecke einige technische Probleme, die viel Zeit kosteten, da unter anderem auch der darauf folgende Dientner Sattel mit dem Ersatzrad in Angriff genommen werden musste. Nachdem das Material also schon Verschleißerscheinungen zeigte, traf es wenig später auch „das Material“ aus Fleisch und Blut. Durch die hohe Belastung und die Müdigkeit stellten sich Augen- und Wahrnehmungsprobleme ein. So wurden die letzten km zur besonderen Herausforderung, da einerseits der Sieg in Reichweite war, aber zum anderen natürlich die Sicherheit des Fahrers auf dem Spiel stand. Hier zeigt sich wie wichtig eine funktionierende Crew ist. Nachdem Sebastian Mühe hatte die Ampeln korrekt zu erkennen schritt die Crew ein und verordnete eine „Zwangspause“ wohlwissend, dass damit der Sieg unmöglich werden würde.
Nach dieser Pause und wieder klarem Blick konnten die letzten Kilometer etwas ruhiger in Angriff genommen werden. Der Sieg war weg, aber auch der Vorsprung nach hinten war groß genug. So lief Sebastian dann als Gesamtzweiter ins Ziel ein. Er unterbot dabei den alten Streckenrekord um 1,5 h und musste sich nur Lokalmatador Michael Hofer geschlagen geben. Dieser verbesserte den Streckenrekord um über 2 h und hatte am Ende 38 min Vorsprung auf Sebastian. Trotz der Enttäuschung über den verpassten Sieg konnte Sebastian nach über 40.000 kcal und 55 h 49 min zufrieden sein mit der Leistung und den gesammelten Erfahrungen.
Sebastians Instagram: https://www.instagram.com/sebastian_mayr_ultracycling/
Bildnachweis: Race Around Austria und Sebastian Mayr